Allgemein,  Universal Design for Learning

Säule II: Repräsentation von Informationen (II)

Autor:innen: Finn Lang, Maiana Selaff und Annika Koopmann

Einführungsvideo

Unterricht umrahmt den Prozess des Lernens. „Lernen ist der Prozess, durch den der Organismus sein Verhalten als Resultat von Erfahrung ändert“ (Berliner & Gage, 1996). Doch was geschieht, sollte das Lernen im Unterricht durch sprachliche Barrieren erschwert oder gar verhindert wird? „Die Komplexität der zu lernenden Inhalte in der Schule ist zunehmend von der Darbietung der Inklusion abhängig“ (Schulz, 2021). Wir befinden uns nun bei einer Differenzierung, die die Heterogenität akzeptiert und unterstützend für die Schülerinnen und Schüler wirkt (Müller, 2018). Es entsteht die Forderung nach einem sprachsensiblen Unterricht. Nach Gogolin et al. (2011) umfasst dieser drei wesentliche Punkte:

  1. Die Erschaffung einer Verbindung zwischen Alltags- und Bildungssprache
  2. Die Planung des Unterrichts in Abhängigkeit der vorherrschenden sprachlichen Ressourcen der Schülerinnen und Schüler
  3. Die Anpassung des Unterrichts an die vorhandenen Ressourcen durch die Verwendung von Hilfsmitteln. Hier lässt sich die diklusive Sprachbildung einbringen. Diklusiv meint die digitale-inklusive Anpassung der Unterrichtssituation an die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler (Schulz, 2021). Eine Möglichkeit der didaktischen Unterstützung findet man in dem Modell von Schulz und Böttinger (2018), in dem die Unterrichtsphasen als Basis für digitale Erweiterungen verwendet werden.

Didaktische Szenarien

In den folgenden Abschnitten werden drei exemplarische Unterrichtsszenarien dargestellt,
die durch digitale Medien heterogenkonform gestaltet werden.

Szenario 1

Oftmals findet im Unterricht eine Wortschatzerweiterung statt. Dies gehört zu Semantik/ Lexikon als Bestandteil der Sprachförderung und wie oben beschrieben zur Sensibilisierung des Unterrichts. Es geht dementsprechend um die Bedeutung eines gelernten Wortes, sowie der Erweiterung des aktiven und passiven Wortschatzes. Wie kann in der Situation der UDL nach Schulz & Böttinger (2018) genutzt werden, um den Lernprozess zu optimieren?
Unterstützung findet sich im Bereich der Wahlmöglichkeiten der Perzeption. Dabei kann dies durch eine Anpassung der Informationsdarstellung, einer Alternative für auditive Informationsdarstellungen oder eine Alternative für visuelle Informationen geschehen (Schulz & Böttinger, 2018). Ein Beispiel wäre hier das Verwenden von Bildern statt Schriftgrafiken, also ein eingesetztes Symbol für bestimmte Lerngegenstände. Ebenfalls entlasten diese Symbole die kognitive Ebene und erleichtern somit das Arbeiten für Kinder mit Sprach und Sprechproblemen (Löser, 2013). Zudem stellen die Bilder eine Hilfe zur systematischen Informationsverarbeitung dar, was ebenfalls einen Aspekt des UDL-Modells anspricht.
Ein Beispiel für ein Programm:
Ein schönes Beispiel für die Anwendung ist die Applikation Quiver. Hier geraten gezeichnete
und gemalte Bilder in Aktion. Damit ist ein visuelles Erarbeiten von komplizierten Sachverhalten und Prozessen möglich. Aus diesem Grund ist das Programm besonders für die Fächer Biologie und Geschichte geeignet.
Wie funktioniert es?
Bild malen, Quiver Applikation öffnen und das Tablet auf die Zeichnung richten und abwarten.

Auf dem Screenshot aus der App Quiver ist die Auswahlmöglichkeit von Print, Color und Play zu sehen, sowie ein Button mit einer Kamera und der Button "Manage Access".
QuiverVision (Quiver)


Szenario 2

Eine weitere wichtige Fähigkeit in dem Bereich Sprache ist die Erzählkompetenz. Dabei eignet sich nach Reber und Wildegger-Lack (2022) vor allem ein kreativer Ansatz für die Schülerinnen und Schüler. „Die Erzählkompetenz bedeutet ein ungemein reichhaltiges und interessantes Konstrukt wie auch eine psychische Fähigkeit, die kognitive und emotionale Aspekte aufs Interessanteste miteinander verknüpft“ (Wyl et al., 2008). „Bruner (1989) verwendet den Begriff der Imagination einer alternativen Welt, die allein durch die Fähigkeit des Erzählers erschaffen wird. Die Situation stellt sich wie folgt dar. Eine Schülerin oder ein Schüler möchte etwas Erlebtes erzählen. Hierfür müssen die richtigen Worte gewählt und Zusammenhänge korrekt beschrieben werden. Achtung: Es muss auf die Perspektivübernahme geachtet werden. Diese Empathie gehört zu den Aspekten der Theory of Mind (Wyl et al., 2008). Daher sollte ebenfalls dieser Teil geschult werden. Diese Aspekte lassen sich mit den Möglichkeiten den Aktivierung und der Erarbeitung von Hintergrundfaktoren des UDL-Modells nach Schulz und Böttinger (2018) kombinieren. Dabei können die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel ein gemeinsames Video in Kleingruppen anfertigen und anschließend austauschen. Damit regt die Arbeit dazu an, neue Informationen mit bereits Erlerntem zu verknüpfen.
Ein Beispiel für ein Programm:
Für dieses Szenario eignet sich beispielsweise die Applikation Puppet Pals. Hier können kreative Kurzfilme erstellt werden. Diese können kollaborativ angefertigt werden.
Wie funktioniert es?
Puppet Pals ist wie ein digitales Theater aufgebaut. Die Schülerinnen und Schüler können die Hintergrundkulisse, die Figuren und die Handlung selbst auswählen. Zudem kann eine Audiospur angefertigt werden. Nach Fertigstellung steht der Austausch an!

Auf dem Screenshot ist im Hintergrund eine Burg zu sehen und im Vordergrund ein Ritter und ein Drache.
Polished Play& LLC (Puppet Pals)


Szenario 3

Ein wichtiger Punkt der sensibilisierenden Maßnahmen ist die Anpassung an die Ressourcen des Lernenden. Genauer, die Schaffung eines Zuganges, der nicht rein auf kognitiver Basis geschieht. Gemeint ist die Vermeidung von überflüssigen Informationen und die daraus resultierende Unklarheit über den Lerngegenstand (Löser, 2013). Hierbei helfen Strukturierungsformen, die bestimmte Informationen hervorheben, Leitideen aufzeigen und Beziehungen darstellen können (Schulz & Böttinger, 2018). Eine große Hilfe stellt dabei eine Sequenzierung der Informationen dar (Schulz & Böttinger, 2018). Dies meint einen geregelten Ablauf, in dem die Informationen an den Lernenden herangetragen werden. Aus der Forschung ist bekannt, dass beispielsweise lange Texte eine negativ wirkende Haltung bei Schülerinnen und Schülern mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche hervorrufen (Kleinmann, 2011).
Ein Beispiel für ein Programm:
Ein geeignetes Programm für die Anwendung im Unterricht ist Book Creator. Hier lässt sich eine Art Präsentation erstellen, die Seite für Seite betrachtet werden kann. Daher kann jede Schülerin und jeder Schüler im eigenen Tempo lernen.
Wie funktioniert es?
Text eingeben, Sprachaufnahme hinzufügen und ein erklärendes Bild einfügen. Dies kann wiederholt werden, bis der Lerngegenstand vollständig aufgeführt ist. Anschließend kann die gesamte Präsentation vertont werden. Nun kann das Buch abgespeichert und den Lernenden zur Verfügung gestellt werden.

Auf dem Screenshot ist ein gemaltes Bild und ein "Start Recording"-Button zu sehen.
Tools for Schools Limited (Book Creator)
Auf dem Screenshot ist zu sehen, wie eine Seite des digitalen Buches umgeblättert wird.
Tools for Schools Limited (Book Creator)

Unterrichtsbeispiel einer Stunde

Abschließend wird nun, mit Hilfe eines Unterrichtsbeispiels, eine Möglichkeit der Repräsentation von Informationen im Fachunterricht betrachtet. Es soll Lehrkräften als Anregung für die praktische Umsetzung der genannten UDL-Spalte im eigenen Unterricht dienen. Das Beispiel bezieht sich auf den Heimat- und Sachunterricht der Klassenstufe 4, mit der Thematik „Ritter und Burgen“. Ziel der Stunde soll das Wiederholen, Verknüpfen und Festigen der bisher gelernten Begriffe zu diesem Themenbereich sein. Hierfür sollen die Schülerinnen und Schüler am Ende der Themeneinheit in Kleingruppen eine kurze Geschichte zu dem besagten Thema schreiben und diese anschließend mit dem Tool Puppet Pals erzählen und verfilmen.

Es können vier verschiedene Charaktere ausgewählt werden.
Polished Play& LLC (Puppet Pals)
Auf dem Bild ist die Startseite von Puppet Pals zu sehen. Auf der Bühne sind neben dem App-Titel Buttons mit "More Characters", "Saved Shows" und "Press to Start" zu sehen.
Polished Play& LLC (Puppet Pals)

Mit dem erstellten Video wird die Geschichte dann sowohl visuell als auch auditiv vor der Klasse vorgetragen, wodurch Alternativen der Informationsdarstellung entstehen. Das Video bietet auch den Vorteil, dass die SchülerInnen und Schüler nicht etwa frei vor der Klasse sprechen müssen, sondern vorab in aller Ruhe das Video erstellen können, das dann für sie spricht. Des Weiteren wird die Geschichte und vor allem die Schlüsselbegriffe auch bildlich dargestellt, sodass die Mitschülerinnen und Mitschüler sie einerseits besser verstehen und andererseits besser behalten können. Bereits Gelerntes wird hierdurch neu aktiviert, wichtige Informationen hervorgehoben und das Behalten unterstützt.

Auf dem Screenshot von Leo.org ist die Übersetzung zamek = Burg zu sehen.
LEO GmbH (Leo.org Beispiel: Deutsch-Polnisch)

Eine Unterstützung für die Gruppenarbeit kann der Leo-Übersetzer sein, mit dem die Begriffe in unterschiedliche Herkunftssprachen übersetzt werden können, sodass auch hier noch einmal die Begriffe näher erklärt werden können und das Verständnis vor allem für mehrsprachige Schülerinnen und Schüler leichter fällt beziehungsweise gefestigt wird. Gleichzeitig können Kenntnisse in anderen Sprachen genutzt werden, um diese ins Deutsche zu übersetzen.

Die Tools sollten den Schülerinnen und Schülern bereits durch vorherige Erklärungen und Ausprobieren in der Handhabung geläufig sein. Fünf selbst ausgesuchte Wortkarten unterstützen die Gruppen zusätzlich während des Schreibprozesses. Sie bilden schriftlich und bildlich unterschiedliche Begriffe des Stundenthemas ab und können mittels QR-Codes auch auditiv wahrgenommen werden. Mit der Webseite QRStorage ist es möglich, jedes beliebige Wort und jeden beliebigen Text in einen QR-Code zu verwandeln. Die Vorlagen der Wortkarten befinden sich, gemeinsam mit dem Arbeitsauftrag der Gruppenarbeit, bei den Unterrichtsmaterialien.

Auf dem Screenshot aus dem Tool QRStorage, ist die Möglichkeit zur Eingabe eines Textes zu sehen, welcher dann als Audio, Text oder Link dargestellt werden kann.
Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (QRStorage)
Auf dem Screenshot aus dem Tool QRStorage ist ein QR-Code zu sehen, der beispielsweise gedownloadet werden kann.
Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (QRStorage)

Im Folgenden wird nun die Verlaufsskizze der geplanten Doppelstunde tabellarisch veranschaulicht:

Zeit und PhaseUnterrichtsgeschehenMaterial
Einstieg
(15 min)
Erläuterung des Stundenablaufs und der Stundenziele,
Vermittlung des Arbeitsauftrags, Kleingruppenbildung,
Verteilung des Materials an die einzelnen Gruppen
Visualisierter Stundenverlauf, Arbeitsauftrag ausgedruckt für jede Gruppe, Papier und Stifte, iPad mit installierten Tools („Puppet Pals” und “Leo-Übersetzer“), Wortkarten mit den wichtigsten Begriffen (mit Bildern, Schrift und QR-Code), Handy (zum Scannen der QR-Codes)
Arbeitsphase (60 min)Schülerinnen und Schüler schreiben eine Geschichte und erzählen beziehungsweise verfilmen diese mit Hilfe von „Leo-Übersetzer“ und „Puppet Pals“Arbeitsauftrag ausgedruckt für jede Gruppe, Papier und Stifte, iPad mit installierten Tools („Puppet Pals” und “Leo-Übersetzer“), Wortkarten mit den wichtigsten Begriffen (mit Bildern, Schrift und QR-Code), Handy (zum Scannen der QR-Codes)
Abschluss
(15 min)
Die Schülerinnen und Schüler präsentieren ihre erarbeiteten Filme in der Klasse.iPads mit den gespeicherten Filmen, eventuell eine Lautsprecherbox und eine Leinwand zur besseren Präsentation

Material für die Stunde:

  1. Konkreter Arbeitsauftrag für die Schülerinnen und Schüler:

Aufgabe:

Bildet zu dritt eine Gruppe. Sucht euch mindestens fünf Begriffe zum Thema „Ritter und Burgen“ aus und bildet gemeinsam aus ihnen eine Geschichte. Erzählt diese mit Hilfe von „Puppet-Pals“. Als Unterstützung könnt ihr auch den „Leo-Übersetzer“ nutzen. Beide Apps findet ihr auf dem iPad. Viel Spaß!

2. Wortkarten Vorlagen:

Quellen:

Berliner, C.D.& Gage, N.L. (1996). Pädagogische Psychologie. Weinheim: Psychologie Verlags Union.

Goer, C. & Koeller, K. (Hrsg.) (2016). Fachdidaktik Deutsch. Grundzüge der Sprach-und Literaturdidaktik. Paderborn: Wilhelm Fink GmbH & Co Verlags-KG

Löser, R. (2013). Besondere Schüler – Was tun? Rund um den Förderschwerpunk LERNEN. Hintergrundinformationen Fallbeispiele Strategien für die Sekundarstufe. Ruhr: Verlag an der Ruhr

Lüdtke, U.M.& Stitzinger, U. (2015). Pädagogik bei Beeinträchtigungen der Sprache. Basel: Ernst Reinhardt Verlag

Reber, Karin / Wildegger-Lack (2020): Sprachförderung mit Medien: Von real bis digital. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag GmbH

Ronniger, Pola / Petermann, Franz (2019): Wie beeinflusst der Medienkonsum die Sprachentwicklung? In: Praxis Sprache – Fachzeitschrift für Sprachheilpädagogik, Sprachtherapie und Sprachförderung 3/2019, S. 148-152

Schulz, Lea (2021): Durchgängige Sprachbildung im digital-inklusiven Unterricht – Grundlagen und Praxisbeispiele. RAABE

Schulz, L. & Böttinger, T. (2018). The Universal Design for Learning Guidelines. Verfügbar unter: TaskCards

Wakefield, MA (2016): Universal design for learning guidelines. Deutsche Version in: Sonderpädagogische Förderung heute 61 (2016) 3, S. 275. Verfügbar unter: udlguidlines

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