Allgemein,  Universal Design for Learning

Säule II: Repräsentation von Informationen (I)

Repräsentation von Informationen im heterogenitätssensiblen und diklusiven Unterricht

Autorinnen: Studentinnen der Europa-Universität Flensburg

Liebe Leserinnen  und Leser,

wenn es heutzutage um die Gestaltung von Unterricht geht, sind Themen wie Inklusion und Digitalisierung für angehende Lehrkräfte und Sonderpädagog*innen von besonderem Interesse. Eine Schulklasse besteht aus verschiedenen Individuen, welche unterschiedliche Kompetenzen mitbringen. Deshalb kann es eine Herausforderung sein, den Unterricht für alle Schüler*innen ansprechend, kompetenzorientiert und alltagsnah zu gestalten. Im Folgenden soll diese Besonderheit vor dem Aspekt der sprachsensiblen Gestaltung von Unterricht beleuchtet werden. Sprachliche Barrieren abzubauen ist von Relevanz, da sprachliche Kompetenzen und schulischer Erfolg unmittelbar miteinander verbunden sind (vgl. Schulz 2021, S. 3). Gleichzeitig sollte es gelingen, sprachliche und inhaltliche Aspekte angemessen miteinander zu verknüpfen. Durch die fortschreitende Digitalisierung ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der Umsetzung, welche gleichzeitig die Ausbildung von Medienkompetenz innerhalb eines inklusiven Lernsettings (wie z.B. unter anderem im Konzept „Diklusion“ verankert) ermöglicht (vgl. Schulz 2021, S. 3). Wird die Gestaltung des Unterrichts auf die Lebenswelt und Interessen der Schüler*innen bezogen kann es gelingen, diese mehr zum Lernen zu motivieren.

Für angehende Lehrkräfte und andere Interessierte werden wir hier deshalb Impulse für die Praxis geben, wobei wir uns an dem Konzept des UDLs („Universal Design for Learning Guidelines“) orientieren. Wir konzentrieren uns dabei auf die zweite Spalte des UDL, die „Repräsentation von Informationen“. Im ersten Schritt folgt ein Erklärvideo, in welchem wir die Hintergründe und die Relevanz dieses Konzeptes näher erklären.

1. Repräsentation von Informationen im heterogenitätssensiblen Unterricht

Das „Universal Design for Learning Guidelines“

Bevor wir im Weiteren drei exemplarische didaktische Szenarien vorstellen, wie Informationen heterogentitätssensibel mit digitalen Tools repräsentiert werden können, gibt es vorab einen kurzen Exkurs zu sprachlich-kommunikativen Dimensionen:

Das folgende „Sonne-Wolken-Modell“ von Hansen & Heidtmann (2001) veranschaulicht die einzelnen „sprachlich-kommunikativen Kompetenzen“, welche bei den Schüler*innen innerhalb des Unterrichts gefördert und gefordert werden können. Auf diese sprachlichen Dimensionen beziehen wir uns auch bei der Darstellung der folgenden Szenarien, wenn wir eine Verknüpfung zu Sprache herstellen.

Zu sehen ist eine Sonne, umringt von 14 Wolken. Jede der Wolken bildet eine Dimension sprachlich-kommunikativer Kompetenzen ab. 
- Pragmatik
- Nonverbale Kommunikation
- Lexikon und Semantik
- Grammatik (Morphologie und Syntax)
- Metakommunikation
- Metasprache/Sprachbewusstheit
- Schriftsprache
- Auditiver Bereich, Hören
- Orofazialer Bereich
- Stimme
- Atmung
- Sprechflüssigkeit
Aussprache (Phonetik und Phonologie)
Abb.: Hansen & Heidtmann, 2001.

2. Die unterrichtspraktische Anwendung des „Universal Design for Learning Guidelines“

Die sprachsensible und digitale Repräsentation von Informationen anhand von drei didaktischen Szenarien erläutert:

Nachdem ihr durch das Video eine Vorstellung von der Idee des UDL entwickeln konntet, werden nun drei didaktische Szenarien vorgestellt. Bei diesen Szenarien soll es darum gehen diese auf die zweite Spalte des UDL zu beziehen und zu analysieren, welche Möglichkeiten der sprachlichen Bildung und Förderung hiermit einher gehen (s. „Sonne-Wolken-Modell“). Zudem werden Beispiele für Tools aufgezeigt, die für die mediale Umsetzung im Unterricht herangezogen werden könnten.

Szenario 1: Aktivierung von Vor- und Hintergrundwissen 

  • Warum ist das Aktivieren von Vor- und Hintergrundwissen wichtig…

Zu Unterrichtsbeginn ist es förderlich, zunächst das Vor- und Hintergrundwissen der Schüler*innen zu aktivieren. Vorwissen begünstigt das Lernen, indem es die Aufnahme und das Durchdringen neuer Wissensinhalte erleichtert und Vernetzungsprozesse anstößt. Weiterhin fördert es die Qualität der Informationsverarbeitung, da bspw. das Arbeitsgedächtnis entlastet wird und die Motivation zum weiterführenden nachhaltigen Lernen angeregt wird (vgl. Mandl/Friedrich, in: Krause/Stark 2006, S. 41f.). Für die Schüler*innen bedeutet dies, dass die Relevanz von neuen Inhalten besser erkannt wird und Verknüpfungen mit neuem Wissen ersichtlich werden.

  • Welches digitale Tool macht dies möglich bzw. welches Tool unterstützt dies…

Dies kann in Form eines Brainstormings, bspw. mit Hilfe von „TeamMapper“ (oder alternativ „Taskcards“ erfolgen. Hier können kooperativ Mindmaps und Pinnwände erstellt werden. Zusätzlich zu Textfeldern bietet das Tool die Möglichkeit visuelles Material in die Mindmap aufzunehmen und zu vernetzen (s. Beispiel unten).

  • Welcher Bereich des UDL wird hierbei berücksichtigt...

Mit Hinblick auf die zweite Spalte des UDL wäre der Einsatz des vorgestellten Tools dem Bereich Verständnis zuzuordnen, da hier bereits vorhandenes Hintergrundwissen mit neuem Wissen verknüpft wird und neue Lerninhalte somit in einen größeren Sinnzusammenhang eingebettet werden können. Weiterhin wird durch alternative Informationsdarstellungsangebote Perzeption ermöglicht, bspw. durch eine Visualisierung der Inhalte. Eine weitere Möglichkeit wäre das Anbieten auditiver Alternativen. Für die Schüler*innen bedeutet dies, dass sie je nach individuellen Vorlieben unterschiedliche Formate wählen können um sich die Informationen einzuprägen.

  • Welche sprachlichen Dimensionen und Kompetenzen können gefördert werden…

Mit Hilfe dieses Aufgabenformats kann das Sprachbewusstsein (Metasprache) trainiert und non-verbale Kommunikation ermöglicht werden. Zudem wird die Förderung der sprachliche Dimension der Semantik und Lexik ermöglicht, da es der Wortschatzerweiterung dienen kann.  Weiterhin ist es Schüler*innen möglich, unbekannte Begriffe aus dem Kontext zu erschließen (Schlüsselwort-Strategie) (vgl. Hachul 2016, S. 17). Außerdem ist es in Form von Mindmaps möglich, semantische Felder zu generieren, in denen beispielsweise Ober- und Unterbegriffe miteinander in Verbindung gesetzt werden oder Bilder und Symbole hinzugezogen werden (vgl. Schulz 2021, S. 15).  

Beispiel:

Abgebildet ist ein Screenshot. Dieser bildet eine Mindmap zum Thema "Insekten" ab. Diese wurde mit dem Programm "TeamMapper" erstellt. In der Mindmap sind sowohl Bilder, als auch schriftsprachliche Elemente verarbeitet.
Abb.: Kalt, A.: TeamMapper – Anleitung Mindmaps gemeinsam erstellen TeamMapper Anleitung – Mindmaps gemeinsam erstellen – YouTube

Unter dem folgenden Link findet ihr eine Gebrauchsanweisung für das Tool „TeamMapper“.

Szenario 2: Angebote für Wiederholung und Transfer  

  • Warum ist es wichtig Möglichkeiten zur Wiederholung und zum Transfer zu schaffen…

Eine Möglichkeit den Unterricht sprachsensibler zu gestalten, ist die Visualisierung von Inhalten (vgl. ebd., S. 18). Diese Art der Repräsentation stellt ebenfalls eine Art der Entlastung dar, z. B. bei begrenzten sprachlichen Kompetenzen. Durch die Nutzung zweier Hilfssysteme des Arbeitsgedächtnisses, der phonologische Schleife und des räumlich-visuellen Notizblocks, wird die Verarbeitung der Informationen erleichtert (vgl. Hachul/Schönauer-Schneider 2016, S. 16f.). Für die Schüler*innen bedeutet dies, dass sie Informationen mit verschiedenen Sinnen aufnehmen können, wodurch sie die Inhalte besser verstehen können.

  • Welches digitale Tool macht dies möglich bzw. welches Tool unterstützt dies…

Im Geschichtsunterricht könnte dies beispielsweise durch einen Zeitstrahl mit „learningApps.org“ erfolgen. Das Tool „learningApps.org” birgt noch viel mehr Darstellungs- bzw. Anwendungsmöglichkeiten (z. B. Paare zuordnen, Lückentexte, Gruppenpuzzle uvm. (vgl. Schulz 2021, S. 16).

Mit dem folgenden Link kommt ihr zu einem Video, in welchem die App „LearningApps.org“ näher erklärt wird.

  • Welcher Bereich des UDL wird hierbei berücksichtigt..

Ein Zeitstrahl würde unter anderem die Zeitspannen zwischen den einzelnen Ereignissen räumlich abzeichnen (räumlicher Notizblock) und visuelle Schriftsprache abbilden (phonologische Schleife). Bezieht man dies auf das Modell des UDL, deckt dies zum einen den Bereich des Verständnisses ab. Die visualisierte Darstellungsform hilft den Lernenden (u. a. mit geringen literalen Kompetenzen)…

…bei der Verinnerlichung der Inhalte

…bei der Herstellung eines Transfers

…die Informationen greifbarer zu machen

…die systematische Informationsverarbeitung anzuregen

Auch der Bereich der Perzeption wird durch das Anbieten von alternativen Darstellungen zu schriftsprachlichen Textformaten, z. B. Audiodateien und Visualisierungen berücksichtigt. Im Arbeitsgedächtnis werden die Informationen dadurch in mehreren Speichern zwischengespeichert und repräsentiert. Somit ist der Zugang zu diesen Informationen und das Verständnis erleichtert.

Zu sehen ist ein Modell des Arbeitsgedächtnisses. Oben ist die zentrale Exekutive abgebildet. Von dieser gehen drei Pfeilen zu Hilfssystemen ab: Dem episodischen Zwischenspeicher, dem visuell-räumlichen Notizblock und der phonologisch-artikulatorischen Schleife.
Erstellt mit Powerpoint

Der Bereich Symbole und Sprache der u. a. Wahlmöglichkeiten zur…

  • Klärung von Begriffen,
  • Hilfestellungen beim Lesen,
  • nicht-sprachlichen Illustration von Schlüsselbegriffen bereitstellt, wird mithilfe dieses Tools berücksichtigt. Da schwierige Begriffe durch Symbole oder Bilder ersetzt werden und Schlüsselbegriffe nicht-sprachlich dargestellt werden können.

berücksichtigt werden, da Schwierige Begriffe durch Symbole oder Bilder ersetzt werden können.

  • Welche sprachlichen Dimensionen und Kompetenzen können gefördert werden…

Durch die bildliche und schriftsprachliche Darstellung fällt es den Schüler*innen leichter sich Worte einzuprägen und ihren Wortschatz zu erweitern. Außerdem werden Performanzmodalitäten, wie das Sprachverstehen angeregt. Des Weiteren werden die Dimensionen der non-verbalen Kommunikation oder der auditive Bereich gefördert. 

Beispiel:

Szenario 3: Sprachsensible Gestaltung von Aufgaben und Texten 

  • Warum ist die sprachsensible Gestaltung von Aufgaben und Texten wichtig…

Zur Gestaltung sprachsensiblen Fachunterrichts sollten Lehrkräfte Hilfestellungen bereit stellen um die Schüler*innen individuell zu unterstützen. Hierfür können sie z. B. „sprachliche Gerüste“ zur Verfügung stellen, die bei unbekannten Fachwörtern und anspruchsvollen „Sprachstrukturen“ angewendet werden können und gleichzeitig in einen „sinnstiftenden fachlichen Kontext“ eingebettet sind (Leisen 2013, S. 41).

  • Welches digitale Tool macht dies möglich bzw. welches Tool unterstützt dies…

Mit Hilfe des Tools „Worksheet crafter“ ist es möglich individuelle Lernmaterialen (z. B. digitale Arbeitsblätter) zu erstellen. Diese können somit an die heterogenen Bedürfnissen von Lerngruppen angepasst werden. Allerdings muss die Lizenz durch einen Jahresbeitrag erworben werden.

Beispiel:

Zu sehen ist ein Screenshot, der ein Beispiel für Unterrichtsmaterial zeigt, das mit dem Worksheet Crafter erstellbar ist. Hie ist exemplarisch ein Dinosaurier Pop-Up Buch zu sehen.
Bild: Beispiele für Unterrichtsmaterialien | Worksheet Crafter
  • Welcher Bereich des UDL wird hierbei berücksichtigt…

Das Tool ermöglicht es, ganz im Sinne der Unterpunkte der zweiten UDL-Spalte durch Sprache und Symbole und Verständnis, globale und lokale Kohäsion herzustellen. Weiterhin wird es durch ein Angebot alternativer Darstellungsformen, wie Audios oder Bildern möglich, die Informationen nicht-sprachlich darzustellen. Diese Maßnahmen sind Hilfestellungen für die Schüler*innen um die Inhalte leichter durchdringen und behalten zu können und diese mit anderen Inhalten verknüpfen zu können. Auch der Bereich Sprache und Symbole findet Anklang, durch die gezielte Hilfestellung bei unklaren Begriffen oder spezifische Techniken zur Strukturierung des Textaufbaus.

  • Welche sprachlichen Dimensionen und Kompetenzen können gefördert werden…

Eine große Stärke ist es, dass mithilfe des Tools auf eine heterogene Lerngruppe mit unterschiedlichen Fertigkeiten, reagiert werden kann. Zum Beispiel können Fachbegriffe bei sprachschwachen Lerngruppen erklärt, durch visuelle Alternativen ersetzt oder vermieden werden und Texte und Aufgaben bei starken Lerngruppen herausfordernder gestaltet werden. In diesem Szenario wird unter anderem das Sprachbewusstsein gefördert und es kann eine Möglichkeit zur non-verbalen Kommunikation geschaffen werden, durch bspw. Tonspuren und Bilder. Je nach Einsatz des Tools können zudem verschiedene Kompetenzen gefördert werden, z. B. Silbenbildung in der Grundschule. In diesem Fall würden Sprachbewusstheit sowie Phonetik und Phonologie gefördert werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit Mittel zur Vernetzung (lokale Kohäsion) und Strukturierung des Textes (globale Kohäsion) (z. B. advance organizer) zu verwenden, damit die Schüler:innen die relevanten Inhalte besser durchdringen und verstehen können.

  • Exkurs: „Advance organizer“ sind z. B…

…Markierungen

…Zeilennummerierungen

…hervorgehobene Schlüsselwörter

…(Teil-)Überschriften

…eingefügte Absätze

…klare Textstrukturierungen

usw. (vgl. Schnotz 2019, S: 219; vgl. Schmellentin 2020, S. 349-352). 

3. Die unterrichtspraktische Anwendung des „Universal Design for Learning Guidelines“

Die sprachsensible und digitale Repräsentation von Informationen – Ein exemplarisches Beispiel für das Fach Geschichte:

Klassenstufe: 9.-10. Klasse

Thema der Stunde: „Deutschland 1918-1945: Zwischen Demokratie und Diktatur, internationaler Verständigung und Verbrechen“ (vgl. Fachanforderungen Geschichte, S. 21).

Lerninhalt: „Zweiter Weltkrieg und Holocaust“ (vgl. Fachanforderungen Geschichte, S. 21).

Der Lerninhalt, wird anhand von Zeitzeugeninterviews in der Unterrichtseinheit behandelt. Thema und Inhalt der Stunde sind aus den Fachanforderungen Geschichte für die Sekundarstufe I entnommen.

Zeitumfang: Aufteilung über mehrere Unterrichtsstunden, nicht als Einstiegsstunde in das Thema geeignet.

Der folgende Unterrichtswurf wurde in abgewandelter Form und unterschiedlichem Schwerpunkt im Rahmen eines Projekts im Fach Geschichte für die digitale Lernplattform „IWitness“, konzipiert. Diese Plattform beinhaltet unter anderem digitale Activitys, welche von Lehrkräften für den Unterricht genutzt werden können. Das Ziel unseres Projekts war es, das Fach Geschichte für ALLE Schüler*innen durch eine sprachsensible Unterrichtsgestaltung zugänglich zu machen.

Bei den folgenden Ausführungen der einzelnen Phasen (Einstieg, Erarbeitung, Ergebnissicherung und Nachbereitung) wird sich in erster Linie auf die zweite Spalte des UDLs bezogen.

3.1 Unterrichtseinstieg 

Zum Einstieg in die Unterrichtsstunde wird im ersten Schritt mit Hilfe des Tools „TeamMapper“ (mehr Informationen zu dem Tool findet ihr bei „Szenario 1“ weiter oben) ein Zitat eingeblendet. Dieses stammt von Sebastian Urbanski, einem Mann mit „Trisomie 21“ und lautet:

In der Nazi-Zeit wäre ich selbst ermordet worden […]“ (zit. nach Urbanski, in: Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. (online))

Nun sind die Schüler*innen dazu aufgefordert ihre eigenen Gedanken zu dem Zitat in Form eines Brainstormings mitzuteilen. Hierbei soll das Vor- und Hintergrundwissen der Lernenden aktiviert werden, um einen gelungenen Einstieg zu ermöglichen (vgl. Schmellentin 2020, S. 353). Als Hilfestellung werden unterschiedliche Fragen von der Lehrkraft formuliert (z. B. Was könnte Sebastian Urbanski mit seiner Aussage meinen, was möchte er erreichen? Usw.). 

  • Welchen Bezug hat diese Form von Einsteig zur zweiten Spalte des UDLs…

Die Darstellung der Informationen sollte möglichst abwechslungsreich sein. Eine Möglichkeit mit welcher Perzeption erreicht werden kann, wäre neben dem schriftlichen Zitat auch eine Audiodatei anzubieten. Alternativ könnte der Lehrende dieses vorlesen. Weiterhin kann auch ein Bild von Sebastian Urbanski bereitgestellt werden, damit die Lernenden auch ein Gesicht vor Augen haben. 

  • Welche sprachlichen Dimensionen und Kompetenzen können gefördert werden...

Mit Hilfe dieses Aufgabenformats können metasprachliche Erschließungsstrategien trainiert werden. das Sprachbewusstsein (Metasprache) trainiert und non-verbale Kommunikation ermöglicht werden. Zudem wird die Förderung der sprachliche Dimension der Semantik und Lexik ermöglicht, da es der Wortschatzerweiterung dienen kann.  Weiterhin ist es Schüler*innen möglich, unbekannte Begriffe aus dem Kontext zu erschließen (Schlüsselwort-Strategie) (vgl. Hachul 2016, S. 17). Außerdem ist es in Form von Mindmaps möglich, semantische Felder zu generieren, in denen beispielsweise Ober- und Unterbegriffe miteinander in Verbindung gesetzt werden oder Bilder und Symbole hinzugezogen werden (vgl. Schulz 2021, S. 15).  

Beispiel: 

Das Bild ist ein Screenshot von einer, mit TeamMapper erstellten, Mindmap. Diese zeigt exemplarisch, wie der Unterrichtseinstieg einer Mindmap gestaltet werden kann. In der Mitte der Mindmap ist das Zitat von Urbanski abgebildet. Ringsherum mögliche Schlagwörter wie "Opfer" oder "Rassenlehre".
Erstellt mit TeamMapper

Nachdem alle Beiträge gesammelt und im Plenum besprochen wurden, leitet die Lehrkraft im zweiten Schritt zur problemorientierten Fragestellung der Unterrichtsstunde über. Um die kognitiven Prozesse der Schüler*innen anzuregen, wird zunächst ein Infotext zur Verfügung gestellt, welcher das Kontextwissen schafft bzw. aktiviert. 

  • Bezug zur zweiten Spalte des UDL

Diese Aufgabe ist gut geeignet, um bei den Lernenden historisches Hintergrundwissen zu aktivieren (Verständnis). Um Perzeption zu ermöglichen, sollte es auch hier die Alternative geben, sich den Text als Audio anzuhören oder als Erklärvideo anzuschauen. Um die schriftliche Textform zu erleichtern, könnte es eine Alternative in Leichter Sprache geben. Außerdem ist es zu empfehlen Sprache und Symbole zu verknüpfen und Hilfestellungen bezüglich wichtiger oder schwerer Begriffe anzubieten. Dies könnte in Form von Infokästen oder durch visuelle Erklärungen (z. B. Bilder, Symbole) geschehen. Damit die Schüler*innen die relevanten Aspekte des Textes erfassen, kann zudem mit Strukturierungshilfen (z. B. Hervorhebungen mit Farben, Unterstreichen etc.) gearbeitet werden. 

  • Welche sprachlichen Dimensionen und Kompetenzen können gefördert werden..

Durch die sprachsensible Informationsrepräsentation des Infotexts, werden die individuellen Lesekompetenzen aller Schüler*innen gleichermaßen gefördert. Dadurch, dass auditive und visuelle Alternativen, Erläuterungen von Fachbegriffen und verständnisfördernde Elemente (wie Überschriften, Textstrukturierungen etc.), genutzt werden, kann jede Schülerin und jeder Schüler auf seinem sprachlichen Niveau einem fordernden, bewältigbaren und für ihn/sie verständlichen Text begegnen.

3.2 Erarbeitungsphase 

Diese Phase beginnt damit, dass sich die Schüler*innen sich ein Interview der Zeitzeugin Elvira Manthey anschauen. Im Vorhinein sollten zudem die wichtigsten Eckdaten der Biografie beleuchtet werden. 

  • Bezug zur zweiten Spalte des UDL

Biografie: Bei der Biografie der Zeitzeugin sollten nur die zentralen Eckdaten aufgelistet werden, um den Schüler*innen einen möglichst kompakten Überblick zu geben. Neben der schriftlichen Form sollte es zudem die Möglichkeit geben, eine Audio- und/ oder Videodatei abzuspielen (Perzeption). Weiterhin sind auch hier Bilder eine gute Möglichkeit, die Aufgabe greifbarer zu gestalten. Haben die Schüler*innen einen kurzen Einblick in das Leben von Elvira Manthey bekommen, wird ihnen auch das Verständnis des folgenden Interviews leichter fallen. 

Video: Bei dem Video ist es besonders wichtig, dass Alternativen zur auditiven Darstellungsform angeboten werden, wie beispielsweise Untertitel (Perzeption). Zudem sollten alle Schüler*innen diese Aufgabe in einem individuellen Tempo bearbeiten können. Hierzu zählt, dass das Interview in einzelne Videosequenzen unterteilt ist, nach den jeweils eine Frage zum Verständnis gestellt wird. Zudem sollte jede und jeder die Videos so oft anschauen können, bis der Inhalt verstanden wurde. 

Beispiel: Aufgabenstellungen zu den einzelnen Videosequenzen…

Dieses Bild zeigt mögliche Aufgaben, die den Schüler:innen während der Erarbeitungsphase zum Verständnis gestellt werden können.
Z. B.:
- Welche Gründe werden genannt, weshalb Kinder in eine Anstalt kamen?
- Wie lautet die Diagnose von Elvira Manthey
Anonym: Eugenik und „Euthanasie“ im Nationalsozialismus. Der Umgang mit „Behinderten“ im zeitlichen Wandel. Projekt „Lebensgeschichten, in: Seminar „Lebensgeschichten“ unter Leitung von Prof. Dr. Astrid Schwabe, Europa-Universität Flensburg 28.02.2022.
 
  • Welche sprachlichen Dimensionen und Kompetenzen können gefördert werden..

Video: Durch das Anschauen des Videos wird der auditiver Bereich gefördert. Da die Schüler:innen gleichzeitig auch den Untertitel des Videos lesen können, ist es ihnen möglich Wort und Ton abzugleichen. Sie hören wie Wörter ( z. T. fremde Wörter) ausgesprochen werden und sehen gleichzeitig die Schreibweise dieser Wörter. Dies fördert den Wortschatz und den Ausdruck. Außerdem erhöht die doppelte Repräsentation an Information (Wort und Ton) das Verständnis und Behalten.

Nun gilt es einen Zeitstrahl mit den wichtigsten Daten und Ereignissen aus dem Video zu erstellen. Hierfür kann beispielsweise das Tool „LearningApps.org“ herangezogen werden. 

  • Bezug zur zweiten Spalte des UDL

Auch hier sollten Alternativen zur schriftlichen Darstellung angeboten werden, um die Inhalte zu visualisieren (z. B. Bilder, Symbole, Audio einsprechen). Zusätzlich wird der Transfer und das Wiederholen der, im Vorherigen dargestellten Informationen erreicht (Verständnis). Am Ende haben die Lernenden ein Endprodukt, welches die wichtigsten Informationen auf verschiedene Weise repräsentiert und somit den Lernprozess erleichtert und unterstützt. Dieser Zeitstrahl könnte auch von SchülerInnen in Gruppen erstellt werden, wobei die Gruppenergebnisse anschließend ausgetauscht und weiterbearbeitet werden.

  • Welche sprachlichen Dimensionen und Kompetenzen können gefördert werden..

Durch die Transferaufgabe, das die Infos aus den Videos chronologisch geordnet werden sollen, fällt es den Schüler*innen leichter sich den Geschehenszeitraum einzuprägen. Die Wiederholung und alternative Darstellung unterstützt das Verständnis. Da die Informationen vorher im Video auditiv präsentiert wurden und nun eine schriftsprachliche Alternative angeboten wird, können sich (unbekannte) Worte eingeprägt und der Wortschatz erweitert werden. Des Weiteren werden die Dimensionen der non-verbalen Kommunikation und des auditiven Bereichs gefördert. Das räumliche Denken wird unteranderem gefördert, da die Visualisierung die zeitliche Distanz bzw. Nähe der Lebensereignisse (aus dem Zeitzeugenvideo) erkennbar werden lässt.

Beispiel: 

Diese Abbildung zeigt einen, mit LearningApps erstellten, Zeitstrahl. Diesem sind Textbausteine chronologisch zuzuordnen.
Erstellt mit LearningApps

3.3 Ergebnissicherung 

Zum Abschluss wird erneut die Rede von Sebastian Urbanski aufgegriffen, wozu die Lernenden auch hier einen kurzen Einblick in seine Biografie bekommen. Ziel ist es nun, anhand aufgestellter Kriterien, einen Vergleich der Lebenssituation beider vorgestellten Charaktere zu generieren. 

  • Bezug zur zweiten Spalte des UDL

Um das Verständnis zu erleichtern und einen Transfer zu ermöglichen, könnten die Erkenntnisse im Plenum gesammelt werden und von der Lehrkraft in einer Tabelle festgehalten werden. Durch die Nutzung von advance organizer (z. B. Visualisierung in Form einer Tabelle, farbliche Markierungen usw.) kann die Gegenüberstellung greifbarer für die Schüler*innen gestaltet werden.

  • Welche sprachlichen Dimensionen und Kompetenzen können gefördert werden...

Innerhalb dieser Phase des Unterrichts können in diesem Fall die sprachlichen Dimensionen Lexikon, Grammatik und Metasprache gefördert werden. Die Schüler*innen sind dazu aufgefordert, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten welche sie beobachten konnten, auszudrücken und zu formulieren. Hierzu kann die Lehrkraft Scaffolds (s. Beispiel unten) bereitstellen, um den Schüler*innen zu helfen ihre Vorgehensweise für den Vergleich zu strukturieren. Hier ist es sinnvoll für Schüler*innen mit Förderbedarf flexible Kriterien vorzugeben, welche als Orientierungshilfe dienen. Auf diese Weise können alle Lernenden in ihrem individuellen Tempo und je nach persönlichen Bedürfnissen die Aufgabe bearbeiten.

Beispiel: 

Der Screenshot verdeutlicht wie Scaffolds zu dieser Aufgabe aussehen könnten
 Scaffold: Bei einem Vergleich braucht es immer Kriterien, nach denen man vergleicht. Stelle am besten vor dem Vergleich Kriterien auf, nach denen du vergleichen willst. So fallen dir mögliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten leichter auf.
Zum Beispiel kannst du Eingehen auf, 
…den damaligen und heutigen Umgang mit „Behinderten“,
…die Gesetze und Rechte,
…die Möglichkeiten zur Lebensgestaltung der jeweiligen Person,
… die Diagnose,
(…)
Als Hilfestellung kannst du dir auch die Ausschnitte aus der UN-Behindertenrechtskonvention anschauen. Diese verdeutlichen nochmal die Rechte von Behinderten heute.
Anonym: Eugenik und „Euthanasie“ im Nationalsozialismus. Der Umgang mit „Behinderten“ im zeitlichen Wandel. Projekt „Lebensgeschichten, in: Seminar „Lebensgeschichten“ unter Leitung von Prof. Dr. Astrid Schwabe, Europa-Universität Flensburg 28.02.2022.
 

Weiter Informationen zu Scaffolding im inklusiven Geschichtsunterricht: Körber, A./Seidl. P./Witt, D./Bormuth, H.: Inklusives Geschichtslernen via Scaffolding von Aufgaben, in: Barsch, S. et al. (Hrsg.): Handbuch Diversität im Geschichtsunterricht, 2019, S. 405-423.

Reflexion 

Bei der folgenden Reflexion lassen sich eher Verbindungen zur dritten Spalte des UDL („Informationsverarbeitung und Darstellung von Lernergebnissen“) herstellen.

Zum Abschluss sind die Schüler*innen dazu angehalten die gewonnen Erkenntnisse in Form eines Essays (Mini-Quest) festzuhalten. Hierbei sollte das Aufgabenformat individuell wählbar sein. So können die Schüler*innen frei wählen, ob sie das Essay mündlich oder schriftlich verfassen. Neben dem Verfassen eines schriftlichen Textes könnte es zusätzlich das Angebot geben eine Audiodatei aufzunehmen oder selbst ein Erklärvideo zu erstellen (Perzeption). Ein mögliches Tool für die Umsetzung wäre beispielsweise der „Bookcreator”. Zusätzlich können Sprachbausteine aufgezeigt werden, welche es den Schüler*innen erleichtern ihre Essays zu strukturieren (z.B. nach der Methode des handlungsgeleiteten Sprechens).  

Beispiel: 

Abgebildet ist ein Screenshot, der veranschaulicht, welche Form ein Essay mit dem "Bookcreator" annehmen kann.  Der Screenshot zeigt, dass man zusätzlich zur schriftlichen Beantwortung der Essayfrage mit dem "Bookcreator", auch eine Audioaufnahme einfügen kann.
Erstellt mit Bookcreator

3.4 Vertiefung

Weiterführende Tipps:

Optional und an die Lerngruppe angepasst können auch weiterführende Links oder Material für die Schüler*innen bereitgestellt werden. Dies kann sowohl während der Unterrichtseinheit, passend zu den jeweiligen Unterrichtssequenzen, oder im Nachhinein geschehen (z. B. können sprachlich angepasste Ausschnitte aus der UN-Behindertenrechtskonvention in Leichter Sprache das Verständnis bezüglich der Rolle von Behinderten erleichtern). 

Literaturverzeichnis  

Anonym: Eugenik und „Euthanasie“ im Nationalsozialismus. Der Umgang mit „Behinderten“ im zeitlichen Wandel. Projekt „Lebensgeschichten, in: Seminar „Lebensgeschichten“ unter Leitung von Prof. Dr. Astrid Schwabe, Europa-Universität Flensburg 28.02.2022.

Hachul, C./Schönauer-Schneider, W.: Sprachverstehen bei Kindern. Grundlagen, Diagnostik und Therapie (2. überarb. und ergänz. Aufl.) München, 2016. 

Hansen, B./Heidtmann, H./Mross, H.: Lernprozessbegleitende Diagnostik. Beobachtungsbogen Sprache und Kommunikation – „FiF“ Schule, in: Braren et al. (Hrsg.): Lernprozessbegleitende Diagnostik in Theorie und Praxis. Pädagogische Diagnostik (Bd. 16.), Kronshagen, 2009.

Krause, U.-M./Stark, R.: Vorwissen aktivieren, in: Mandl, H./ Friedrich, H. (Hrsg.): Handbuch Lernstrategien, Göttingen, 2006, S. 38-49. 

Leisen, J.: Handbuch Sprachförderung im Fach. Sprachsensibler Fachunterricht in der Praxis – Grundlagenteil (1. Aufl.), Stuttgart 2013. 

Ministerium für Schule und Berufsbildung des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.): Fachanforderungen Geschichte – Allgemeinbildende Schulen Sekundarstufe 1 Sekundarstufe 2, Kiel, 2016.

Schmellentin, C.: Gestaltung von Verfassertexten in Geschichtsschulbüchern. Desiderate, Möglichkeiten und Grenzen aus sprachdidaktischer Perspektive, in: Sandkühler, T./ Bernhardt, M. (Hrsg.): Sprache(n) des Geschichtsunterrichts. Sprachliche Vielfalt und Historisches Lernen, Frankfurt a. M., 2020, S. 345-360. 

Schnotz, W.: Pädagogische Psychologie kompakt (3. überarb. und erw. Aufl.), Weinheim, 2019. 

Schulz, L.: Durchgängige Sprachbildung im digital-inklusiven Unterricht – Grundlagen und Praxisbeispiele, Stuttgart, 2021. 

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