Allgemein,  Universal Design for Learning

Säule I: Förderung des Lernengagement (II)

Autorinnen: Henrike Krauß und Stine Thomsen

Förderung von Lernengagement

Die erste Spalte der Guideline des Universal Designs for Learning  nach CAST (2018) umfasst den Aspekt der Förderung des Lernengagements. Es geht um die Aktivierung des affektiven Netzwerkes und das „Warum“ des Lernens. Die Motivation hat einen wesentlichen Einfluss auf das Lernen. Die Motivation von jedem einzelnen Lernenden ist stark individuell und durch viele Einflussfaktoren bedingt. Es spielt eine Rolle, welches Interesse die Lernenden am jeweiligen Gegenstand haben, ob die Beschäftigung damit subjektiv als lohnenswert empfunden wird und welche Erfolgserwartungen sich daraus ergeben (Spinath, 2022). Dies lässt sich auch auf den Bereich der Sprache übertragen. Nur wenn es sich für ein Kind subjektiv lohnt, seine Sprache einzusetzen und weiterzuentwickeln, hat es eine Motivation hierfür Anstrengung aufzubringen. Daher ist es wichtig, mehrere Optionen bereitzustellen, um das Lernengagement möglichst vieler SchülerInnen entsprechend zu steigern (CAST, 2018).

Zusammenfassung Förderung des Lernengagements (in Anlehnung an CAST, 2018)

Zugang – Lerninteresse wecken

Bei dem Zugang zum Lerngegenstand geht es nach CAST (2018) darum, verschiedene Angebote zu machen, um das Lerninteresse zu wecken. Nur wenn Inhalte für die Kognition des Lernenden ansprechend sind, sind sie auch zugänglich. Da das Interesse jedoch nicht bei allen Lernenden auf die gleiche Weise geweckt werden kann, ist es wichtig, Wahlmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Dies unterstützt die Autonomie der SchülerInnen und führt zu einer größeren Verbundenheit mit dem Lerngegenstand. Autonomes Handeln führt dazu, dass Menschen sich selbst als kompetent erleben und somit eine Erfolgserwartung im eigenen Handeln entwickeln. Die Wahlmöglichkeiten können sich beispielsweise auf das Aufgabenniveau, die Art der Rückmeldung, den Lernkontext, die verwendeten Tools oder auch die Wahl des Designs beziehen. Hierbei geht es nicht darum, möglichst viele Wahlmöglichkeiten anzubieten und die Lernenden hiermit zu überfordern, sondern ein angemessenes Angebot zu machen. Weiterhin sollen möglichst viele relevante, bedeutsame und authentische Aufgaben angeboten werden. Auch bei der subjektiven Relevanz eines Lerngegenstandes gibt es große Unterschiede zwischen den Lernenden. Nehmen die SchülerInnen die gestellten Aufgaben als relevant für ihre eigene Lebenswelt war, so haben sie eine größere Motivation, die entsprechende Aufgabe zu lösen. Beispielsweise eine Variation der Unterrichtsaktivität oder der Informationsquellen kann die subjektive Relevanz des Themas erhöhen. Auch die Bedeutung des Lernergebnisses spielt eine Rolle für die Lernmotivation. Erfüllen diese einen echten Zweck und sprechen ein echtes Publikum an, so haben die Lernenden eine größere Motivation bei der Bewältigung der Aufgaben. Der Einbezug von Selbstreflexion und aktiver Erkundung erhöht weiterhin die subjektiv empfundene Relevanz des Themas. Der dritte Aspekt im Bereich des Lerninteresses umfasst die Reduktion von Ablenkung und sozialer Bedrohung. Die Unterrichtsumgebung sollte so gestaltet sein, dass die SchülerInnen während des Lernens physische Sicherheit empfinden und möglichst wenig durch äußere Reize abgelenkt werden. Ein akzeptierendes und unterstützendes Klassenklima, Routinen und die Gestaltung von Übergängen geben den Lernenden Sicherheit und ermöglichen ablenkungsarmes Lernen (CAST, 2018).

Die beschriebenen Handlungsgrundsätze lassen sich auch in den Prinzipien des sprachsensiblen Unterrichts nach Gogolin et al. (2011) wiederfinden. Hier wird betont, dass der Unterricht und somit auch der entsprechende Lerngegenstand so aufbereitet werden sollte, dass er dem sprachlichen Entwicklungsstand der lernenden Individuen entspricht. Ein sprachlich angemessen aufbereiteter Lerngegenstand ermöglicht es den Lernenden während des Unterrichts autonom zu handeln. Außerdem wird so die Problematik umgangen, dass die Sprache eine Ablenkung oder gar ein Hindernis zum eigentlichen Lerngegenstand darstellt. Ein Anknüpfen an die Zone der nächsten Entwicklung hingegen ermöglicht eine Weiterentwicklung der (Fach-)Sprache der SchülerInnen (Gogolin et al., 2011).

Zusammenfassung Lerninteresse wecken (in Anlehnung an CAST, 2018)

Entwicklung – Anstrengung und Ausdauer aufrechterhalten

In der Entwicklungsphase steht nach CAST (2018) die Aufrechterhaltung von Anstrengung und Ausdauer im Mittelpunkt. Um dies zu erreichen, sollten Lernende ihr Ziel und die Auswirkungen bei der Erreichung dessen im Blick behalten. Die Lehrperson sollte somit für eine hohe Transparenz und Bedeutsamkeit der Lehr- und Lernziele sorgen. Hierfür kann es hilfreich sein, das Ziel explizit zu formulieren, es in kurz- und langfristige Teilziele zu unterteilen, es zu visualisieren und dessen Relevanz für das eigene Leben zu betonen. Weiterhin ist es bedeutsam, die individuelle Herausforderung für die einzelnen Lernenden anzupassen, indem Anforderungen und Ressourcen entsprechend variiert werden. Ein gutes Verhältnis von Anforderungen und Ressourcen trägt dazu bei, die Anstrengungsbereitschaft der SchülerInnen aufrecht zu erhalten. Ein weiterer Aspekt ist die Förderung der Zusammenarbeit in Gruppen. Bei Gruppenarbeiten sollte auf ein kooperatives Miteinander mit klaren Zielen, Rollen und Verantwortlichkeiten geachtet werden, sodass diese für alle Gruppenmitglieder einen positiven Effekt mit sich bringen. Auch ein zeitnahes, konstruktives und konsequentes Feedback trägt zur Aufrechterhaltung des Lernengagements bei. Lehrende sollten den SchülerInnen formative Lernrückmeldungen geben und Bezug auf die individuelle Lernzielerreichung geben. Hierbei ist es wichtig, darauf zu achten, dass nicht die Intelligenz oder eine bestimmte Fähigkeit des Lernenden im Fokus steht, sondern vielmehr die Anstrengungsbereitschaft und Übung am Lerngegenstand (CAST, 2018).

Auch Gogolin et al. (2011) beschreiben im Hinblick auf den sprachsensiblen Unterricht die Bedeutung der Berücksichtigung der Heterogenität innerhalb der Lerngruppe. Die verwendeten sprachlichen Mittel sollten an die individuellen Voraussetzungen der SchülerInnen angepasst sein. Verschiedene Hilfsmittel sollen eine selbstständige Wissensaneignung ermöglichen und die Kinder und Jugendlichen bestmöglich in ihren sprachlichen Fertigkeiten unterstützen (Gogolin et al., 2011).

Zusammenfassung Anstrengung und Ausdauer aufrechterhalten (in Anlehnung an CAST, 2018)

Verinnerlichung – Selbstregulierendes Lernen ermöglichen

Bei der abschließenden Verinnerlichung des Gelernten soll den SchülerInnen nach CAST (2018) möglichst viel Selbstregulation im Lernprozess ermöglicht werden. Ausgelebte Selbstregulation führt zu einer Steigerung der intrinsischen Motivation. Um dies zu ermöglichen, sollten passende Erwartungen und Überzeugungen vermittelt werden. Erfüllbare Erwartungen an die eigenen Fähigkeiten und die Überzeugung sich weiterentwickeln zu können, führen zu einem Anstieg der Lernmotivation der SchülerInnen. Weiterhin sollten die Lernenden in der Entwicklung ihrer individuellen Bewältigungsfähigkeiten und Bewältigungsstrategien unterstützt werden. Hierzu gehören beispielsweise ein Ausbau der Frustrationstoleranz und die Stärkung positiver und realistischer Vorstellungen an die eigenen Ziele. Die Lernenden sollten in ihren Möglichkeiten unterstützt werden, den eigenen Lernerfolg reflexiv beurteilen zu können (CAST, 2018).

Auch in den Prinzipien des sprachsensiblen Unterrichtes nach Gogolin et al. (2011) ist die Bedeutung der Selbstregulation wiederzufinden. Hier wird die Bedeutung eines sprachförderlichen Klimas zum eigenaktiven Ausbau der sprachlichen Kompetenzen betont. SchülerInnen und Lehrkräfte sind gemeinsam für die Weiterentwicklung der sprachlichen Fähigkeiten der Lernenden verantwortlich. Hierbei können konstruktive Korrekturen und eine positive Fehlerkultur hilfreich sein (Gogolin et al., 2011).

Zusammenfassung selbstregulierendes Lernen ermöglichen (in Anlehnung an CAST, 2018)

Didaktische Szenarien zur digitalen Unterstützung von Lernengagement im sprachsensiblen Unterricht

Der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht bringt vielerlei Vorteile mit sich. Wie der Begriff der Diklusion schon sagt (Verbindung aus „Digitale Medien“ und „Inklusion“), können digitale Medien gezielt dazu eingesetzt werden, Teilhabe zu ermöglichen (Schulz, 2021). Sie ermöglichen oftmals eine anschauliche Darstellung von Lerninhalten. Außerdem können mithilfe digitaler Tools beispielsweise Bilder, Wörter und Sprachaufnahmen gemeinsam dargestellt und Begriffe somit auf mehreren Ebenen parallel verknüpft werden. Weiterhin regt die gemeinsame Nutzung digitaler Medien die Kommunikation der Lernenden untereinander an (Knopp et al., 2022). Nicht außer acht zu lassen ist, dass durch den Einsatz von digitalen Medien auch die allgemeine Kompetenz im Umgang mit eben diesen gestärkt wird. An vielen Schulen wird bereits mit iPads gearbeitet. Der Umgang mit iPads ermöglicht einen geführten Zugriff (siehe Video „Erklärung geführter Zugriff), sodass die Kinder sich nicht von anderen Funktionen ablenken lassen können (Reber & Wildegger-Lack, 2022).

Erklärung geführter Zugriff

Tools zum Wecken des Interesses

Zu Beginn einer neuen Unterrichtseinheit ist es bedeutsam, das Interesse der Lernenden zu wecken (Spinath, 2022). Um ihnen einen autonomen Einstieg in ein neues Thema zu ermöglichen, bietet es sich beispielsweise an, das bereits vorhandene Vorwissen zu aktivieren. Dies führt dazu, dass die Lernenden selbst aktiv werden müssen, um einen Zugang zu dem neuen Lernkontext zu erhalten (Pöschl, 2022). Außerdem führt die Aktivierung von Vorwissen dazu, dass neue Lerninhalte an bereits Vorhandene angeknüpft und somit sicherer gespeichert werden (McElvany et al., 2017). Neue Begriffe können so in das bereits vorhandene Vokabular eingebettet und mit diesem verknüpft werden. Verschiedene digitale Tools zur Sammlung von Vorwissen lassen sich beispielsweise auf der Seite Kits.blog finden. Hier gibt es beispielsweise die Möglichkeit, eine digitale Mindmap zu erstellen. Die digitale Mindmap sorgt dafür, dass das Vorwissen der gesamten Lerngruppe in einer Übersicht vereint wird. Dies führt im Vergleich zum Unterrichtsgespräch dazu, dass alle SchülerInnen beteiligt sind. Außerdem kommt es zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit und der kommunikative Austausch über die gesammelten Aspekte wird unterstützt. Außerdem werden die Informationen nicht ausschließlich in Schrift dargestellt, sondern können durch Farben, Zeichen und Linien optisch miteinander in Verbindung gebracht werden. Diese Tools lassen die SchülerInnen direkt oder auch indirekt in Kommunikation treten und unterstützen so das kooperative Miteinander der Lernenden (Pöschl, 2022). Außerdem können die Kinder und Jugendlichen selbst entscheiden, welche Aspekte sie in das Thema mit einbeziehen möchten. Dies führt zum Einbezug ihrer eigenen Lebenswelt und somit zu einer Steigerung der Lernmotivation (Reber & Wildegger-Lack, 2020). Ein weiteres Tool dieser Webseite ist das Erstellen einer Wortwolke (Beispiel siehe Bild „Beispiel Wortwolke“). Hier können die SchülerInnen ihre Ideen zum Thema eintippen. Diese werden dann in einer Wortwolke dargestellt. Es wird für die SchülerInnen ersichtlich, wie viel sie bereits zu einem Thema wissen oder wie viel Platz ihre Wolke noch für neues Wissen lässt. Es gibt auch die Möglichkeit, einen fertigen Text einzufügen. Das Programm wählt dann häufig vorkommende Worte aus und erstellt daraus eine Wortwolke. Dies ist eine gute Möglichkeit, wenn die Lernenden noch nicht so viel Kenntnis zu einem Thema haben. Durch die Wortwolke werden Kernbegriffe des Themas hervorgehoben und können durch die Lehrkraft oder auch durch die SchülerInnen selbst aufgegriffen werden. Die Tools von Kits.blog lassen den Lernenden viel Freiraum und ermöglichen autonomes Handeln (CAST, 2018).

Das Bild zeigt eine Wortwolke mit vielen Begriffen rund um das Thema Diklusion.
Beispiel Wortwolke „Diklusion“. Eigener Screenshot von Kitsblog.

Tools zur Aufrechterhaltung der Anstrengung

Im Prozess der Erarbeitung von Lerninhalten können digitale Medien gezielt eingesetzt werden, um die Aufrechterhaltung von Anstrengung und Ausdauer zu ermöglichen und einen möglichst hohen Einsatz der Sprache zu begünstigen. Es bietet sich an, die Lernenden in Gruppen arbeiten zu lassen. Dies unterstützt die kommunikativen Fähigkeiten der SchülerInnen indem sie lernen, einerseits ihren MitschülerInnen zuzuhören, andererseits aber auch ihren eigenen Standpunkt zu vertreten (Knopp et al., 2022). Digitale Medien sprechen in erster Linie den Seh- und den Hörsinn der Kinder und Jugendlichen an. Um die anderen Sinne mit einzubeziehen, kann eine Kombination aus Realgegenständen und digitalen Medien sinnvoll sein (Reber & Wildegger-Lack, 2020).

Diese Kombination gelingt beispielsweise mit der App Chatterpix, in der Bilder von Realgegenständen eingefügt und mit einer Tonspur besprochen werden können (siehe Video „Beschreibung der App Chatterpix“). Auch in der App Puppetpals2 ist es möglich, eigene Fotos einzufügen. Diese App kann verwendet werden, um eigene Kurzfilme zu produzieren (siehe Video „Beschreibung der App PuppetPals“). Eine weitere Möglichkeit ist das Tool Explain Everything. Bei diesem Tool können auf einem digitalen Whiteboard Erklärvideos erstellt werden. Durch das Einfügen von Fotos und Videos kann auch hier ein Bezug zur realen Lebenswelt geschaffen werden.

Beschreibung der App Chatterpix
Beschreibung der App PuppetsPals2

Bei der Verwendung der genannten Tools können die SchülerInnen gemeinschaftlich und kreativ mit einem Lerngegenstand arbeiten (Knopp et al., 2022). Arbeitsaufträge, die eine Verwendung dieser Tools beinhalten, können flexibel im Anforderungsniveau variiert werden. Fordert der Arbeitsauftrag die Verwendung der eigenen Sprache, so erhalten die Lernenden die Möglichkeit, ihre Stimme Teil eines kreativen Projektes werden zu lassen. In diesem Fall motivieren die digitalen Medien die SchülerInnen zum Gebrauch der Sprache (Reber & Wildegger-Lack, 2020). Gleichzeitig findet durch die Kombination aus visueller Handlung und Sprachgebrauch eine Entlastung des Sprachkanals statt (Reber, 2019). So können Kinder, die beispielsweise einen kleinen Wortschatz haben, durch die visuelle Unterstützung auch komplexere Inhalte zum Ausdruck bringen. Außerdem erleichtert der vergleichsweise spielerische Umgang mit der Sprache den Kindern das Sprechen an sich (Reber & Wildegger-Lack, 2020). Durch die Produktion eigener Lernvideos werden die Kinder zusätzlich im selbstgesteuerten Lernen unterstützt und entwickeln ihre Erzählkompetenz weiter (Reber & Wildegger-Lack, 2022). Zur Unterstützung der Erzählkompetenz könnten beispielsweise Bildkarten, Wortkarten oder beispielhafte Satzanfänge verwendet werden (Wolf, 2022). Beim Drehen des Filmes haben die SchülerInnen die Möglichkeit, mit ihrer Sprache zu experimentieren und Aufnahmen zu wiederholen, bis sie ihren Ansprüchen entsprechen (Reber, 2018). Insgesamt findet eine intensive Betrachtung und Reflexion der eigenen Sprache statt. Durch die Präsentation der Ergebnisse in Videoform erhalten auch Kinder, die normalerweise Schwierigkeiten damit haben, vor der Klasse zu sprechen, die Möglichkeit, ihr Arbeitsergebnis vorzustellen (Reber, 2018). Die hierdurch entstehende Teilhabe und Selbstwirksamkeit begünstigt die Aufrechterhaltung der Ausdauer in der Entwicklung der Sprachkompetenz (CAST, 2018).

Tools zur Feststellung des Lernerfolgs

Bei der Feststellung des Lernerfolges bringen digitale Medien den entscheidenden Vorteil mit sich, dass sie ein objektives und neutrales Feedback ermöglichen (Reber, 2018). Erfolgt das Feedback beispielsweise über eine Lernapp, so wird die Beziehung zwischen Lehrkraft und SchülerIn nicht belastet, da die Rückmeldung nicht auf ein subjektives Urteil zurückgeführt werden kann (Reber, 2019). Tools, die sich für die Feststellung des Lernerfolges anbieten, sind beispielweise bei Learningapps.org zu finden. Auf dieser Webseite können verschiedenste Aufgaben erstellt werden, die eine Überprüfung des Lernerfolges ermöglichen (siehe Video „Beschreibung der Anwendungen von LearningApps“). Die vielfältigen Optionen haben den Vorteil, dass Aufgaben entsprechend der Fähigkeiten der einzelnen SchülerInnen individualisiert und differenziert werden können (Reber, 2018). Dennoch findet ein Lernen am gemeinsamen Gegenstand (Feuser, 2008) und ein Lernen mit einem ähnlichen Tool statt. Je nach (schrift-)sprachlichen Fähigkeiten des Kindes können Wörter oder auch Bilder für die Beantwortung der Fragen oder für die Lösung des Rätsels verwendet werden. Mit der App Quizmaker könnten zusätzlich Sprachmemos hinterlegt werden. Dies ermöglicht eine Verknüpfung von Laut- und Schriftsprache und erleichtert somit das Verständnis und einen Ausbau der Schriftsprachkompetenz (Reber, 2019).

Beschreibung der Anwendungen von LearningApps

Unterrichtsbeispiel einer Stunde

Die im Folgenden beschriebene Unterrichtsstunde wurde für das Fach Verbraucherbildung geplant. Zielgruppe ist eine achte Klasse an einem Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Das behandelte Thema ist „Müll und Recycling“. In der Unterrichtsstunde soll das Unterthema „Mülltrennung“ genauer in den Blick genommen werden. Durch den Aufbau der Unterrichtsstunde sollen die Lernenden zielstrebig und motiviert werden und bleiben. Die Lerngruppe ist es gewohnt mit iPads zu arbeiten. Das Lernen mit iPads bringt vielerlei Vorteile mit sich. Sie sind einfach zu bedienen, haben zahlreiche Funktionen und Bedienungshilfen und können mit vielfältigen Apps ausgestattet werden (Starke et al., 2016).

Einstieg / kognitive Aktivierung

In der ersten Unterrichtsphase sammeln die SchülerInnen ihre bisherigen Kenntnisse zum Thema in einer Mindmap. Hierfür wird der TeamMapper von Kits.blog verwendet. Dies dient der kognitiven Aktivierung der Jugendlichen, eröffnet ihnen einen Zugang zum Lerngegenstand und weckt ihr Lerninteresse. Im TeamMapper können die SchülerInnen ihre Gedanken in Schriftform festhalten (siehe Abbildung 1). Da alle Lernenden an einer gemeinsamen Mindmap arbeiten, können sie ihre Ideen mit denen ihrer MitschülerInnen abgleichen und sich gegenseitig ergänzen. Es entsteht ein gemeinsames Endprodukt, ohne dass deutlich wird, welcher Beiträge von welchem Klassenmitglied stammen. So wird mögliches Konkurrenzdenken eingegrenzt. Die Jugendlichen können selbst wählen, welche Inhalte sie in der Mindmap festhalten und somit mit beeinflussen, welche Fragen im Verlauf der Stunde geklärt werden. Durch das Abrufen, Sortieren, Selektieren und Ausdrücken des Vorwissens werden die sprachlichen Kompetenzen der Lernenden gestärkt. Das schriftliche Festhalten ihrer Gedanken führt zu einer Festigung der Schriftsprache. Für diese Aufgabe arbeiten jeweils zwei Kinder gemeinsam an einem iPad. So treten die Jugendlichen schon bei der Ideensammlung in einen kommunikativen Austausch mit ihren MitschülerInnen (Reber & Wildegger-Lack, 2020).

Das Bild zeigt eine leere Mindmap. In der Mitte steht die Aufgabenstellung mit den Worten "Das weiß ich schon zur Mülltrennung!". Es gehen beispielhaft fünft Arme zur Beschriftung ab. Oben und an den Seiten sind die möglichen Einstellungen der Webseite zu sehen.
Abbildung 1: Teammapper – Sammlung des Vorwissens zum Thema Mülltrennung. Eigener Screenshot von Kitsblog.

Erarbeitung / Übung

In der Erarbeitungsphase wird in Kleingruppen gearbeitet. Die Arbeit in Gruppen fördert die Gemeinschaft innerhalb der Lerngruppe und bringt viele Sprechanlässe mit sich (Schulz, 2021). Jede Gruppe bekommt einen Abfallbehälter zugeordnet. Informationen zu den verschiedenen Müllsorten erhalten sie einerseits in schriftlicher Form durch die Lehrkraft, andererseits dürfen sie auch ergänzende Recherchen im Internet durchführen. Durch die Menge der zur Verfügung gestellten Informationen ist eine flexible Differenzierung des Arbeitsauftrages möglich. Ziel der Aufgabe ist es, dass die Lernenden mit der App Chatterpix ihre zugeordnete Müllsorte für die MitschülerInnen erläutern. Die einzelnen Gruppen sollen ihre Mülltonne zum Sprechen bringen und so die wichtigsten Informationen an ihre KlassenkameradInnen weitergeben (Beispiele siehe „Arbeitsergebnisse Chatterpix“). Durch die verwendete Methode können die SchülerInnen mitentscheiden, welche Informationen sie für relevant halten und dementsprechend weitergeben möchten. Durch die kreativen Gestaltungsmöglichkeiten werden Anstrengung und Ausdauer aufrechterhalten. Das Ansehen des eigenen Ergebnisses ermöglicht es, dass die Jugendlichen eine Selbstreflexion vornehmen können. Das anschließende Präsentieren der fertigen Ergebnisse bietet die Möglichkeit, dass die Gruppen sich gegenseitig eine Rückmeldung über das angefertigte Produkt geben können. Bei dieser Aufgabenstellung spielt auch die Sprache eine zentrale Rolle. Die SchülerInnen müssen das neue Wissen in Lautsprache fassen und verständlich an ihre MitschülerInnen weitergeben. Dies unterstützt den Ausbau von Semantik und Lexikon, erfordert aber auch die Berücksichtigung grammatikalischer Regeln und eine gute Erzählstruktur. Die Sprachaufnahme gilt hierbei als sprachlicher Mittler (Schulz, 2021), der sprachlich unsicheren Kindern eine verbale Präsentation der Ergebnisse ermöglicht. Weiterhin wird durch das festgehaltene Arbeitsergebnis eine Reflexion der eigenen sprachlichen Kompetenzen möglich (Schulz, 2021).

Reflexion / Feedback

In der letzten Phase der Unterrichtsstunde stehen die Verinnerlichung der Lerninhalte und die Reflexion des Lernerfolges im Mittelpunkt. Die SchülerInnen bearbeiten ein Quiz, das mit der App Quizmaker erstellt wurde. Diese App bietet die Möglichkeit, mit eigenen Bildern und Fragen ein Quiz zusammen zu stellen (Beispiele siehe „Beispielfragen Quizmaker“). Die Fragen werden in Schriftsprache dargestellt und können zusätzlich mit einer Audiodatei hinterlegt werden. Hierdurch wird den Lernenden eine Bewältigungsstrategie zur Verfügung gestellt und sie können selbst entscheiden, ob sie diese auditive Unterstützung in Anspruch nehmen möchten oder nicht. Die entspricht den Prinzipen der Berücksichtigung individueller sprachlicher Voraussetzungen und der Unterstützung der individuellen Sprachbildungsprozesse im sprachsensiblen Unterricht (Gogolin et al., 2011). Entscheiden die SchülerInnen sich bei der Bearbeitung des Quizzes für eine falsche Antwort, geschieht nichts. Erst beim Auswählen der richtigen Antwort geht es mit der nächsten Frage weiter. Hierdurch werden Frustrationserlebnisse vermieden und die Motivation aufrechterhalten. Durch die eigenständige Bearbeitung des Quizzes bekommen die Jugendlichen außerdem eine direkte Rückmeldung auf ihren Lernerfolg. Die Beantwortung der Fragen fördert das (Schrift-)Sprachverständnis der Lernenden. Sie werden darin gefordert, Fragen zu verstehen und die entsprechende Antwort abzurufen und wiederzugeben. Außerdem werden die gelernten Begriffe im Quiz mehrfach wiederholt, sodass eine Festigung in Semantik und Lexikon stattfinden kann (Schulz, 2021).

Literaturverzeichnis

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Gogolin, I., Dirim, İ., Klinger, T., Lange, I., Lengyel, D., Michel, U., Neumann, U., Reich, H. H., Roth, H.‑J. & Schwippert, K. (2011). Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund FörMig: Bilanz und Perspektiven eines Modellprogramms. FörMig-Edition: Bd. 7. Waxmann. http://www.socialnet.de/rezensionen/isbn.php?isbn=978-3-8309-2517-0

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