Geschichten erzählen mit dem Ozobot
ein Beitrag von Studierenden des Seminars „Diklusion an Grundschulen“ der Europa-Universität Flensburg
Die vorliegende Unterrichtsstunde behandelt das Thema „Geschichten erzählen“. Die Schüler:innen sollen lernen, welche zentralen Bestandteile eine Geschichte hat. Deshalb kann die Stunde u. a. im Deutschunterricht durchgeführt werden. Außerdem dient die Unterrichtsstunde dazu, den Schüler:innen grundlegende Coding-Kenntnisse nahezubringen. Die Hauptlernziele der Stunde sind das Beibehalten eines roten Fadens und die angemessene Sprachgestaltung. Folgende Kompetenzen werden gefördert:
- Sozialkompetenz (aufgrund von Gruppenarbeit)
- Kommunikationskompetenz (aufgrund von Gruppenarbeit)
- Planungskompetenz
- Programmierkompetenz
- Sachkompetenz
- Kognitive Kompetenz
- Erzählkompetenz und
- Frustrationstoleranz.
In einer solchen Unterrichtsstunde ist es besonders wichtig, das Material für alle Schüler:innen zugänglich zu machen und somit alle Beteiligten einzubeziehen. Die Nutzung von digitalisierten Materialien/Medien kann bei der Inklusion helfen (vgl. Böttinger & Schulz 2023, S. 56). Jedoch bringt die Digitalisierung auch neue Herausforderungen mit sich, auf welche Schulen und Lehrkräfte reagieren müssen. Zum einen haben nur wenige Lehrkräfte ausreichende Vorkenntnisse, um digitale Medien in ihrem Unterricht einzusetzen; zum anderen verfügen nicht alle Schulen über die benötigte Ausstattung. Dies ist problematisch, da die meisten Schüler:innen heutzutage mit digitalen Medien und Endgeräten aufwachsen und immer häufiger Gebrauch von ihnen machen. Da Heranwachsende heute schon von früher Kindheit an in einer Welt aufwachsen, in der Medien nicht nur Gegenstand von Bildungsmaßnahmen sind, sondern die Nutzung von digitalen Medien auch ein Teil ihres Zugangs zur Welt darstellt (vgl. Irion 2020, S. 60 f.), sollten die Lebenswelt und die konkreten kindlichen Erfahrungen Ausgangspunkt und Zielvorstellung der Mediennutzung in der Schule sein (vgl. Irion 2018, S. 4). Die vorliegende Unterrichtsstunde kann dabei helfen, sowohl Lehrkräften als auch Schüler:innen an einen digital unterstützten Unterricht heranzuführen.
Die durch den Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu schaffende Inklusion stellt eine Grundlage für eine Chancengleichheit im Bildungssystem dar (vgl. Schulz & Reber 2023, S. 43). Ein inklusiver Unterricht mit digitalen Medien berücksichtigt sowohl Schüler:innen mit einer Behinderung, deren gesellschaftliche Teilhabe auch durch Medieneinsatz ermöglicht werden kann (vgl. Feldmann & Capovilla 2023, S. 81) und bspw. Schüler:innen mit einer Lernschwäche wie LRS, indem Arbeitsaufträge bspw. über Tonaufnahmen abgespielt und kurze informative Videos zum Thema bereitgestellt werden können. Im vorliegenden Projekt wurde mit der App „BookCreator“ gearbeitet, um Arbeitsaufträge und Hilfestellungen einzusprechen und Ergebnisse der Schüler:innen zu sichern. Überdies können die dargebotenen Hilfestellungen ein selbstständiges Arbeiten und Problemlösen gewährleisten. Digitale Medien können mit Hilfe von „assistive[n] Technologien (z.B. Screenreader, Bildschirmlupen, Spracherkennungssoftware) […] Beeinträchtigungen kompensieren […], bieten Möglichkeiten des individualisierten Lernens, etwa durch adaptive Lernprogramme […] und ermöglichen Formen der Zusammenarbeit durch kollaborative Werkzeuge“ (Schaper & Kamin 2023, S. 300).
In der vorliegenden Unterrichtsstunde werden Elemente des Digital Storytellings nach Kuhn (2011) verwendet, die ein durch multimediale Faktoren (z. B. Bild, Video, Ton,…) gestütztes Geschichten erzählen bezeichnet (vgl. Kuhn 2011, S. 3). Bran (2010) nennt z. B. die Förderung der Empathiefähigkeit, Kreativität und kognitivem Lernen, eine gesteigerte und intensivere Beschäftigung mit einem Thema sowie die gesteigerte Motivation der produzierenden und zuhörenden Schüler:innen als Vorteile des digital storytellings (vgl. Bran 2010, S. 1791).
Das für diese Unterrichtsstunde benötigte Material besteht aus:
- Ozobots (die Anzahl ist abhängig von der Klassengröße) und zugehörige Stifte
- Kodierungslisten für Aktionen des Ozobots
- DIN-A3-Papier
- Tablets mit der installierten BookCreator-App (eins pro Gruppe, die Anzahl ist abhängig von der Klassengröße)
- Tablets mit der installierten BookCreator-App, den vorher erstellten Hilfestellungen und der Beispielgeschichte
- Bildkarten (s. u.)
- ggf. Whiteboard
Um Barrieren von vornherein abzubauen, sollte sich vor allem die Lehrkraft mit dem Ozobot und dem BookCreator auseinandergesetzt haben. Es empfiehlt sich jedoch, auch die Schüler:innen bereits vor der vorliegenden Unterrichtsstunde einmal mit dem BookCreator bzw. den Ozobots arbeiten zu lassen bzw. ihnen zumindest grundlegende Robotics-Vorkenntnisse nahezubringen.
Es folgt der Ablauf der Stunde:
Einführung:
Nach der Begrüßung beginnt die Unterrichtsstunde im Sitzkreis mit der Einführung in das Thema Robotics. Hier wird das Vorwissen der Schüler:innen abgefragt und der Begriff „Kodieren“ erklärt:
Kodieren bedeutet, dass Informationen mit Hilfe eines Codes (hier: Farbcodes) weitergegeben und vom digitalen Empfänger ausgeführt werden.
Als nächstes erfolgt das gemeinsame Zusammentragen der zentralen Bestandteile einer Geschichte. Hierzu gehören die Einleitung, in der die W-Fragen (Wer? Wo? Wann?) beantwortet werden sollen, der Hauptteil und der Schluss. Sobald alle Informationen gesammelt wurden, wird der Ozobot und seine Funktionsweise vorgestellt:
Der Ozobot kann eine mit den zugehörigen Stiften vorgezeichnete Strecke abfahren und erkennt dabei spezifische Farbcodes, die Befehle zur Ausführung von verschiedenen Aktionen geben, bspw. Richtungsänderung, Beschleunigung oder Verlangsamung des Tempos, Pausen.
Des Weiteren wird die Funktionsweise des BookCreators erklärt. Hier unsere selbst erstellte Anleitung.
Vorstellung des Arbeitsauftrags:
Nachdem Grundlagen des Themas bekannt sind, wird der Arbeitsauftrag vorgestellt:
„Entwickle eine Geschichte mit Hilfe der Bildkarten, die die zusammengetragenen Bestandteile einer Geschichte enthält und vom Ozobot (durch Anfahren der Bildkarten) begleitet wird. Nimm die Geschichte in der BookCreator-App mündlich auf.“
Eine Beispielgeschichte wird zur Verdeutlichung der Arbeitsaufgabe präsentiert. Die Schüler:innen achten während des Abspielens auf die Beantwortung der W-Fragen in der Geschichte und melden sich leise, wenn sie die Informationen wahrnehmen. Danach wird auf die Hilfestellungen zum Nachlesen verwiesen. Die Tablets mit den Hilfestellungen werden an einem sichtbaren Ort im Klassenraum platziert. Aufkommende Fragen werden geklärt.
Gruppeneinteilung und Arbeitsphase:
Abhängig von der Lerngruppe entscheidet die Lehrkraft über die Methode zur Gruppeneinteilung. Um für eine ruhige Arbeitsatmosphäre und ein gelungenes Endprodukt zu sorgen, sollten nicht mehr als drei Kinder in einer Gruppe sein. Die Schüler:innen sollten innerhalb des vorgegebenen Rahmens frei in ihren Entscheidungen bezüglich Arbeitsort, Zeiteinteilung (innerhalb der Arbeitsphase) sowie Thema und Handlung der Geschichte sein. Trotz der zur Verfügung gestellten Hilfsmittel (siehe „Ozobot Anleitung“ Button) sollte die Lehrkraft durchgehend ansprechbar und unterstützend sein. Zehn Minuten vor Ende der Arbeitsphase sollte an das Aufnehmen der Geschichte erinnert werden.
Ergebnissicherung:
Nach der Arbeitsphase präsentieren einzelne freiwillige Gruppen die Tonaufnahmen ihrer Geschichten und lassen den Ozobot begleitend die von ihnen entwickelte Strecke abfahren. Die Schüler:innen der anderen Gruppen hören aktiv zu und melden sich – wie bei der Präsentation der Beispielgeschichte am Stundenanfang – sobald sie die Antworten auf die W-Fragen in der Geschichte hören. Danach geben die Schüler:innen sich gegenseitig Feedback.
Reflexion:
Die Schüler:innen treffen sich erneut im Sitzkreis. Sie erzählen nun von ihren in dieser Stunde gemachten positiven und negativen Erfahrungen mit den Ozobots sowie dem Arbeitsauftrag. Verbesserungsvorschläge für die erneute Durchführung einer solchen Stunde dürfen gerne geäußert werden. Es wird zusammengefasst, was die Schüler:innen in dieser Unterrichtseinheit gelernt haben.
Hier nochmal die Unterrichtsschritte zusammengefasst auf einen Blick:
Inhalt | Zeit (in Minuten) |
Einführung in das Thema: Vorwissen zum Thema Robotics aktivieren und den Begriff „Kodieren“ klären, zentrale Bestandteile einer Geschichte herausarbeiten (Einleitung, Hauptteil, Schluss, W-Fragen in der Einleitung beantworten), Vorstellung des Ozobots und des BookCreators | 10 |
Vorstellung des Arbeitsauftrags: „Entwickle eine Geschichte mit Hilfe der Bildkarten, die die zusammengetragenen Bestandteile einer Geschichte enthält und vom Ozobot (durch Anfahren der Bildkarten) begleitet wird. Nimm die Geschichte in der BookCreator-App mündlich auf.“, Präsentation einer Beispielgeschichte und Hinweis auf die bereitliegenden Hilfestellungen | 5 |
Gruppeneinteilung und Umsetzung des Arbeitsauftrages durch die Schüler*innen: max. 3 Kinder pro Gruppe, Entwicklung eines Endprodukts | 45 |
Vorstellung der Ergebnisse: Schüler:innen präsentieren die Tonaufnahme ihrer Geschichte und lassen den Ozobot begleitend die zugehörige Strecke fahren, Achten auf W-Fragen und Feedbackgabe durch zuhörende Schüler:innen | 20 |
Reflexion zu den eigenen Recherchekompetenzen und der Einheit: Schüler:innen erzählen von ihren Erfahrungen mit den Ozobots, geben Verbesserungsvorschläge | 10 |
Besonders wichtig ist zu beachten, dass die Arbeitsphase mit 45 Minuten sehr lang ist. Für eine gelungene Gruppeneinteilung sollte die Lehrkraft die Schüler:innen daher bereits kennen und darauf achten, dass diese gut zusammenarbeiten können. Nach solch einer langen Arbeitsphase kann es passieren, dass die zuhörenden Schüler:innen beim Präsentieren der Geschichten unaufmerksam werden. Um dies zu vermeiden, können Höraufträge verteilt werden, bspw. zur Beantwortung der W-Fragen aus der Geschichte. Hier sollen die Schüler:innen dann nicht nur auf den Zeitpunkt der Beantwortung der W-Fragen achten, sondern diese nach dem Zuhören wiedergeben können. Bei einer größeren Gruppe kann es nützlich sein, die Präsentation der Ergebnisse und der Beispielgeschichte über ein Whiteboard erfolgen zu lassen, damit alle Schüler:innen gut sehen und hören können. Da einige Kinder – vor allem in der Grundschule – Schwierigkeiten mit dem Zeichnen der Farbcodes, die exakt gleich lang und so breit wie die schwarze Strecke sein sollten, um verlässlich vom Ozobot erkannt zu werden. Eine Alternative zum Aufzeichnen der Farbcodes stellen Sticker dar, die von den Schüler:innen sorgfältig aufgeklebt werden.
Literatur:
Böttinger, Traugott & Schulz, Lea (2023): Professionalisierung in der Lehrer:innenbildung für einen digital-inklusiven Unterricht. In: Irion, Thomas; Böttinger, Traugott & Kammerl, Rudolf (Hrsg.): Professionalisierung für digitale Bildung im Grundschulalter. Ergebnisse des Forschungsprojekts P3DiG. Münster, New York: Waxmann. S. 49-76.
Bran, Romana (2010): Message in a Bottle: Telling Stories in a Digital World. In: Procedia Social and Behavioral Sciences 2(2). S. 1790-1793.
Feldmann, Julia & Capovilla, Dino (2023): Die Digital Literacy von Lernenden und Lehrenden im Bereich Sehen. In: Betz, Joachim & Schluchter, Jan-René (Hg.): Schulische Medienbildung und Digitalisierung im Kontext von Behinderung und Benachteiligung. Weinheim Basel: Beltz Juventa. S. 81-96.
Irion, Thomas (2018): Wozu digitale Medien in der Grundschule? Sollte das Thema Digitalisierung in der Grundschule tabuisiert werden? In: Grundschule aktuell: Zeitschrift des Grundschulverbandes 142. S. 3-7.
Kuhn, Christina (2011): Die Radieschen von unten ansehen – Digital Storytelling als handlungsorientierter Ansatz zur Förderung von Kommunikations- und Medienkompetenz im DaF-Unterricht. In: Tagungsakten des 8. brasilianischen Deutschlehrerkongresses. Anais do VIII Congresso Brasileiro de Professores de Alemão. O. O.
Schaper, Franziska & Kamin, Anna-Maria (2023): Medienbildung in der inklusiven Grundschule. In: Betz, Joachim & Schluchter, Jan-René (Hg.): Schulische Medienbildung und Digitalisierung im Kontext von Behinderung und Benachteiligung. Weinheim Basel: Beltz Juventa. S. 300-316.
Schulz, Lea & Reber, Karin (2023): Diklusive Sprachbildung: Digitale Medien im Bereich Sprache Warum gehören digitale Medien und Inklusion zusammen? In: Betz, Joachim & Schluchter, Jan-René (Hg.): Schulische Medienbildung und Digitalisierung im Kontext von Behinderung und Benachteiligung. Weinheim Basel: Beltz Juventa. S. 43-64.
https://www.techopedia.com/de/definition/kodierung (letzter Aufruf: 16.01.2024 um 20:46 Uhr)
Redaktionelle Überarbeitung durch Dr. Lea Schulz